Am 25.03.2023 nahmen Jacopo Torregrossa und ich bei der Kölner Kinderuni eine Gruppe von ca. 25 Kindern mit auf eine Entdeckungsreise in die Welt der Wörter und leckeren Kräuter. Dabei kamen auch mehrere verschiedene Sprachen vor, da wir beide in einem Projekt zur Mehrsprachigkeit von Kindern forschen. Dieses Projekt gehört zum Sonderforschungbereich „Prominence in Language“ der Universität zu Köln. Die Kräuter, die beim Kinderuni-Event zum Einsatz kamen, haben wir dann dem Zentrum für LehrerInnenbildung (ZfL) der Universität zu Köln gespendet. Dort können diese Pflanzen nun für die Ausbildung von Lehramtsstudierenden genutzt werden, z.B. bei Seminaren zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) oder in den Seminaren zu Sprachbildung bzw. Sprachförderung, die ich für das Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache unterrichte.
In diesem Blogbeitrag findet man:
- Eine kurze Erklärung des pädagogischen Konzepts hinter dem Kinderuni-Event,
- Lernmaterialien zum Unterschied zwischen wissenschaftlichen Pflanzennamen wie Allium porrum und landessprachlichen Namen wie Lauch, die man auch Trivialnamen oder „volkstümliche“ Pflanzennamen nennt,
- Materialien und Lernaktivitäten zum Aufbau von zusammengesetzten Pflanzennamen wie Zitronenkatzenminze, Zitronengoldmelisse oder Goldzitronenmelisse,
- Lernaktivitäten mit Materialien zum Vergleich der Wortstruktur in verschiedenen Sprachen,
- einen kurzen Bericht über die Kräuterkisten im neugestalteten ZfL-Garten.
Und natürlich gibt es auch in diesem Blogartikel meinen ganz persönlichen Sprachspinat-Tipp.
Das Sprachspinat-Garten-Konzept und der multisensorische Sprachspinat-Küchengarten
Die Kräuter waren so ausgewählt, dass sie zum Sprachspinat-Garten-Konzept für spielerische Sprachbildung, Naturbildung und BNE passen. Bei diesem Konzept gehen SPRACHe, SPIel und NATur eine besonders enge Verbindung ein – wie im Wort SPRACH-SPI-NAT. Zu den Materialien für Sprachspinat-Garten-Aktivitäten gehören u.a. Pflanzenlisten für
- einen sensorischen Küchengarten, in dem man viel über den Aufbau von Wörtern erfahren kann, aber auch einiges über Ernährung und Botanik
- einen insektenfreundlichen Garten, in dem man viel zur Förderung von Artenvielfalt lernen kann, aber auch seinen Wortschatz mit Pflanzennamen erweitern kann, in denen Wörter aus verschiedenen Bedeutungsfeldern enthalten sind, z.B. Scharf-Garbe, Knäuel-Glocken-Blume oder Acker-Glocken-Blume,
- einen „Klimagarten“ mit trockenheitsresistenten Pflanzen, deren Namen einem zeigen können, wie Wörter zu komplexeren Wörtern kombiniert und dann zu größeren sprachlichen Einheiten verbunden werden, z.B. reichblühendes Fettblatt oder weißblühender Rotmoos-Mauerpfeffer.
Außerdem gibt es noch Materialien zur Abfallvermeidung, Bau- und Spielanleitungen, z.B. für Wurmkompostkisten oder Pflanzkisten mit eingebautem Wurmturm. Umgesetzt werden kann das Sprachspinat-Garten-Konzept sowohl draußen in einem „echten“ Garten als auch in Innenräumen – so wie bei der Kinderuni-Veranstaltung. Natürlich kann man viele der Pflanzen von den Sprachspinat-Listen auch für Tee oder Salate in der Mittagspause verwenden. Man kann auch mit Kindern oder Jugendlichen leckere Dinge kochen und dazu Selbstgepflanztes aus dem (Schul-) Garten verwenden.
Couscous-Salad mit Tomaten, essbaren Blüten und Kräutern
Für die Kinderuni-Veranstaltung haben wir viele Pflanzennamen und Sprachaktivitäten aus dem Sprachspinat-Küchengarten verwendet und mit pädagogischen Konzepten verbunden, die Jacopo Torregrossa mit anderen zur Förderung von Sprachbewusstheit entwickelt hat. Diese Konzepte beruhen auf der Idee, dass man viel über die eigene Sprache lernt, wenn man sie mit anderen Sprachen vergleicht. So konnten die Kinder bei der Kinderuni-Veranstaltung neue Kräuter- und Gemüsenamen aus anderen Sprachen kennenlernen und sich über Sprachunterschiede und die Sprachen, die sie bereits kennen, austauschen. Und damit es interessanter wurde, hatten wir neben den Kräutern auch noch ein paar Gemüse dabei.
Wissenschaftliche Pflanzennamen
Beim Kinderuni-Event haben wir zuerst alle gemeinsam viele verschiedene Kräuter und Gemüse angeschaut und probiert. Dann haben wir an Pflanzen aus der Gattung Lauch (Allium) gerochen – und alle haben natürlich sofort erkannt, dass Lauch, Zwiebeln, Knoblauch und Bärlauch sehr ähnlich riechen. An diesem Beispiel haben wir dann erklärt, warum Pflanzen nicht nur die Trivialnamen in den verschiedenen Sprachen der Welt haben, sondern auch internationale wissenschaftliche Namen.
Die deutschen, englischen und italienischen Pflanzenamen in Tabelle 1 sind nämlich nicht eindeutig. So bezeichnet man im Deutschen z.B. ein und dieselbe Pflanze sowohl mit dem Wort Lauch als auch mit dem Wort Porree. Und im Italienischen gibt es zwei Wörter für Bärlauch: aglio orsino („Bärchen-Knoblauch“) und aglio selvatico („wilder Knoblauch“). Die wissenschaftlichen Namen sollen hingegen eindeutig sein: Jeder Name steht für eine einzige Pflanze, z.B. Allium porrum für Lauch und Allium ursinum für Bärlauch.
Wissenschaftliche Pflanzennamen sind nicht nur eindeutiger als die „volkstümlichen“ Namen in den jeweiligen Sprachen. Sie sind auch sehr nützlich, da sie Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Pflanzen anzeigen. So tragen z.B. alle Pflanzen in Tabelle 1 einen Namen, der mit der Gattungsbezeichnung Allium beginnt. Dies zeigt, dass sie zur Gattung Lauch (Allium) gehören. Der zweite Namensbestandteil macht dann nähere Angaben zur Art, wie z.B. das Wort porrum in der wissenschaftlichen Bezeichnung für Lauch. Mehr Informationen über solche wissenschaftlichen Pflanzennamen findet man in einem früheren Sprachpinat-Blogbeitrag.
Bei den landessprachlichen Namen in Tabelle 1 gibt es auch ein paar Hinweise auf Verwandtschaften zwischen den verschiedenen Pflanzenarten:
- Im Deutschen kommt Lauch in den Wörtern Schnittlauch, Knoblauch und Bärlauch vor.
- Im Englischen findet man garlic sowohl als Name für Knoblauch als auch im Namen für Bärlauch.
- Im Italienischen teilen die Namen der Zwiebel (cipolla) und des Schnittauchs (erba cipollina) den Wortbestandteil cipoll. Außerdem kommt das italienische Wort für Knoblauch (aglio) auch in den beiden italienischen Wörtern für Bärlauch vor (aglio orsino und aglio selvatico).
Tabelle 1: Wissenschaftliche Namen für bekannte Pflanzen aus der Gattung Lauch (Allium) und ihre Entsprechungen im Deutschen, Englischen und Italienischen
In keiner der drei Sprachen gibt es aber einen Wortbestandteil, der bei allen Pflanzen in Tabelle 1 vorkommt und die gemeinsame Gattungszugehörigkeit anzeigt. Bei den wissenschaftlichen Namen tut dies hingegen das Wort Allium. Der wissenschaftliche Name liefert so wichtige Informationen über Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Pflanzen.
Die Kinder bei der Kinderuni haben die Unterschiede zwischen Trivialnamen und wissenschaftlichen Pflanzennamen nicht nur schnell anhand von Tabelle 1 herausgefunden. Wir haben auch festgestellt, dass alle anwesenden Kinder schon ein paar wissenschaftliche Namen für Lebewesen kannten – nämlich Namen für Saurier. Wissenschaftliche Tiernamen sind nämlich genauso aufgebaut wie wissenschaftliche Pflanzennamen. Dies sieht man an den folgenden Beispielen:
- Gattung: Tyrannosaurus
- Art: Tyrannosaurus rex
- Gattung: Velociraptor
- Art: Velociraptor mongoliensis
- Art: Velociraptor osmolskae
Nach dieser Einsicht wirkten die wissenschaftlichen Pflanzennamen gleich vertrauter und interessanter.
Der Aufbau von Pflanzennamen im Deutschen
Für die nächste Aktivität bildeten die Kinder Gruppen zu jeweils vier Kindern. Für jede Gruppe gab es vier Listen mit deutschen Pflanzennamen aus der Sprachspinat-Küchengartenliste. So erhielt jedes Kind in einer der Vierergruppen seine eigene Liste von Pflanzennamen. Jedes Kind fand auf seiner Liste acht Pflanzen, jeweils mit ihrem deutschen Trivialnamen und dem entsprechenden wissenschaftlichen Namen. Wenn man die Listen in Tabellen 2 bis 4 anschaut, sieht man, dass recht unterschiedliche Pflanzennamen auftreten, aber auch Zusammenhänge erkennbar sind. Insbesondere hat jede Liste einen Schwerpunkt. In jeder Liste kommt nämlich ein Kräutername sowohl als eigenständiges Wort als auch mehrfach als Wortbestandteil vor:
- Liste 1: Basilikum,
- Liste 2: Minze,
- Liste 3: Thymian,
- Liste 4: Zitrone.
Tabelle 2: Pflanzennamen-Liste 1 (Schwerpunkt: Basilikum)
Basilikum | Gattung: Ocimum; Art: Ocimum basilicum |
Basilikumminze | Mentha piperita var. citrata ‘Basil’ |
Zitronengoldmelisse | Monarda citriodora |
Königsbasilikum | Ocimum tenuiflorum (= Ocimum sanctum) |
Lakritzbasilikum | 2 verschidene Basilikumsorten: Ocimum basilicum ‚Licorice‘ ODER Ocimum basilicum ‚Ararat ‚ |
weiß-buntes Strauchbasilikum | Ocimum basilicum ‚Pesto Perpetuo‘ |
weißes Strauchbasilikum | Ocimum kilimanscharicum x basilicum ‚African white‘ |
Zitronenbasilikum | Ocimum basilicum var. citriodorum ODER Ocimum canum ODER Ocimum basilicum ‚Citron‘ |
Tabelle 3: Pflanzennamen-Liste 2 (Schwerpunkt: Minze)
Minze | Gattung: Mentha |
Minzverbene | Lippia scaberrima |
goldene Zitronenmelisse | Melissa officinalis ‚Aurea‘ |
Bergminze | Gattung: Clinopodium (= Calamintha) |
Edelbergminze | Clinopodium menthifolium subsp. ascendens (= Calamintha ascendens) |
Katzenminze | Gattung: Nepeta |
Schokoladenminze | Mentha x piperita ‚Chocolate‘ |
Zitronenkatzenminze | Nepeta cataria |
Tabelle 4: Pflanzennamen-Liste 3 (Schwerpunkt: Thymian)
Thymian | Gattung: Thymus |
Thymiansommerwurz | Orobanche alba |
Goldzitronenmelisse | Melissa officinalis ‚Aurea‘ |
Bergthymian | Thymus pulegioides subsp. montanus |
Gebirgsthymian | Thymus praecox subsp. polytrichus (= Thymus polytrichus) |
Goldthymian | Thymus pulegioides ‚Aureus‘ |
Hochgebirgsthymian | Thymus alpestris |
Zitronenthymian | Thymus citriodorus |
Tabelle 5: Pflanzennamen-Liste 4 (Schwerpunkt: Zitrone)
Zitrone | Citrus limon |
Bergzitrone | Citrus trifoliata |
Melisse | Gattung: Melissa |
Zitronenminze | Mentha piperita var. Citrata |
Zitronenblatt | Plectranthus species ‚Mount Carbine‘ |
Zitronengras | Gattung: Cymbopogon |
Zitronenmelisse | Melissa officinalis |
Zitronenverbene | Aloysia citrodora |
Neben den Pflanzennamen mit Basilikum, Minze, Thymian und Zitrone als Wortbestandteilen gab es auf jeder der vier Listen jeweils mindestens ein Wort mit Melisse: Zitronengoldmelisse in Liste 1, goldene Zitronenmelisse in Liste 2, Goldzitronenmelisse in Liste 3 und Melisse und Zitronenmelisse in Liste 4.
Jedes Kind teilte zuerst auf der eigenen Liste die Wörter mit Strichen in ihre Bestandteile auf. So wurde z.B. aus der Goldzitronenmelisse die Gold-Zitronen-Melisse. Beim Vergleich ihrer jeweiligen Listen konnten die Kinder dann sehen, dass fünf Wörter– wie eben erläutert – häufig in ihren Pflanzennamenlisten auftauchen: Basilikum, Melisse, Minze, Thymian und Zitrone.
Für jedes dieser fünf Wörter erhielten die einzelnen Vierergruppen von Kindern dann ein A4-Blatt mit dem Wort als Überschrift. Darauf schrieben die Kinder gemeinsam in der Gruppe dann die Pflanzenamen von ihren einzelnen Listen, in denen das entsprechende Wort vorkam. Manche Wörter wurden nur auf ein Blatt geschrieben, z.B. Lakritzbasilikum auf das Blatt mit der Überschrift Basilikum. Andere Wörter kamen auf zwei Blätter. So konnte man beispielsweise das Wort Basilikumminze sowohl auf das Blatt mit der Überschrift Basilikum schreiben als auch auf das Blatt mit der Überschrift Minze.
Sobald die Pflanzennamen nach ihren Wortbestandteilen geordnet waren, diskutierten wir mit den Kindern über die Struktur und Bedeutung dieser Namen. Dabei ergaben sich noch gleich mehrere Einsichten:
- Der Wortbestandteil, der ganz am Ende des Wortes steht, d.h. ganz rechts im Wort, legt die Grundbedeutung des Wortes fest. D.h., er bestimmt, um was es sich bei dem bezeichneten Objekt handelt. So bezeichnet beispielsweise der Name Lakritzbasilikum eine Basilikumssorte, die etwas nach Lakritze schmeckt. Basilikumminze ist hingegen eine Minzsorte mit leichtem Basilikumgeschmack – und keine Basilikumsorte.
- Der letzte Wortbestandteil bestimmt auch die grammatischen Eigenschaften des Wortes, insbesondere sein grammatisches Geschlecht (Genus). So ist es beispielsweise DIE Basilikumminze, weil der rechte Wortbestandteil (Minze) eine weibliche Markierung verlangt – und nicht DAS Basilikumminze, obwohl Basilikum den Neutrumartikel DAS verlangt (oder in manchen Regionen die männliche Artikelform DER).
- Die vorangehenden Wortbestandteile liefern eine nähere Beschreibung: So weist z.B. Zitrone in Zitronenmelisse oder Zitronenbasilikum auf den zitronigen Geschmack dieser Pflanzen hin, während die Wörter Berg (Hoch-) Gebirge in der Verbindung mit dem Wort Thymian den Ursprungsstandort dieser Pflanzen angeben.
- Für die Interpretation von Wörtern ist nicht nur die Unterscheidung zwischen der letzten und der ersten Position im Wort entscheidend, sondern die gesamte Reihenfolge. Dies sieht man, wenn man die Wörter Zitronengoldmelisse, Goldzitronenmelisse und goldene Zitronenmelisse vergleicht: Ein Blick auf die wissenschaftlichen Namen zeigt, dass Goldzitronenmelisse und goldene Zitronenmelisse ein und dieselbe Pflanze aus der Gattung Melissa bezeichnen, zu der auch die Zitronenmelisse gehört. Die Melissepflanzen mit Gold im Namen unterscheiden sich von der gewöhnlichen Melisse durch ihre goldgelbe Farbe – was wir uns direkt anschauen konnten. Auch den typischen zitronigen Geruch konnten wir bei allen Melissa-Pflanzen wahrnehmen, wenn wir die Blätter in der Hand zerrieben.
Auch hier bezeichnet der Wortbestandteil am Anfang – das Wort Gold – also eine Eigenschaft der Pflanze – in diesem Falle eine Eigenschaft einer Pflanze mit Zitronengeruch.
Die Zitronengoldmelisse gehört hingegen zur Gattung Monarda, auch Goldmelissen genannt. Mit Zitronengoldmelisse bezeichnet man Goldmelissen mit einem besonders zitronigen Aroma. Dass Zitrone und Melisse im Wort Zitronengoldmelisse keine zusammenhängende Einheit bilden, spiegelt wieder, dass es sich bei dieser Pflanze nicht um eine Sorte der Zitronenmelissen handelt. - Dass die einzelnen Wortbestandteile nicht einfach aneinandergereiht werden, sondern schrittweise zu größeren Einheiten zusammengesetzt werden, sieht man auch an Wörtern wie Zitronenkatzenminze und Katzenminze. Beide sind nämlich Katzenminzen – und der Blick auf den wissenschaftlichen Gattungsnamen in Tabelle 3 zeigt, dass Katzenminzen zur Gattung Nepeta gehören, während „echte“ Minzen, wie z.B. die Basilikumsminze und die Zitronenminze (oder auch die Pfefferminze) zur Gattung Mentha gehören. Ähnlich ist das bei der Verbindung von Berg und Minze: In Tabelle 3 findet man zwei Pflanzen mit der Kombination dieser Wörter: Bergminze und Edelbergminze. Diese beiden Pflanzen gehören zur Gattung der Bergminzen (Clinopodium, früher auch Calamintha genannt).
- Der Vergleich der wissenschaftlichen Namen für „echte“ Minzen, Katzenminzen und Bergminzen verdeutlicht darüber hinaus, dass wissenschaftliche Namen sehr nützlich für die genaue Identifikation von Pflanzen sind, während man sich bei der Pflanzenidentifikation nicht allein auf einzelne Wortbestandteile wie Minze verlassen kann.
Nachdem wir alle diese Beobachtungen und Einsichten diskutiert hatten, war es klarer, warum wir denken, dass Schokoladenminze – wie die Pfefferminze – eine Pflanze ist, aber die Minzschokolade für eine Schokoladensorte halten – auch wenn wir sie noch nie selbst gegessen haben sollten.
Die Struktur von Wörtern in verschiedenen Sprachen
Bei der Aktivität mit den Pflanzennamen in Tabellen 2 bis 5 hatten wir uns mit der Struktur von zusammengesetzten deutschen Wörtern wie Goldzitronenmelisse oder mit Wortkombinationen (Phrasen) wie goldene Zitronenmelisse befasst. Im Anschluss daran kamen wir wieder zu Tabelle 1 zurück, um zu schauen, wie Wörter und Phrasen in anderen Sprachen aufgebaut sind.
Dabei konnten wir sehen, dass Wörter, die ein anderes Wort näher bestimmen, im Deutschen und Englischen diesem Wort typischerweise vorangehen. Dies ist z.B. beim Bärlauch der Fall: Bär bestimmt das Wort, das Lauch näher: Dem Digitalen Wörterbuch des Deutschen zufolge bezieht sich das Wort Bärlauch nämlich auf den Bären al ein Tier des Waldes, also des Ortes, wo Bären leben. In Tabelle 1 findet man drei englische Übersetzungen für Bärlauch:
- ein nicht zusammengesetztes Wort (ramsons),
- ein zusammengesetztes Wort mit derselben Abfolge wie bei Bärlauch, allerdings getrennt geschrieben, wie man das bei zusammengesetzten Wörtern im Englischen recht häufig sieht (bear leak = Bär+Lauch),
- eine Phrase, bei der das Wort, das sich auf die Pflanze bezieht, ebenfalls dem beschreibenden Wort folgt wild garlic („wilder Knoblauch“).
Unser erneuter Blick auf Tabelle 1 bestätigte somit unsere Beobachtungen und Schlussfolgerungen aus der Aktivität mit Tabellen 2 bis 5 auch für das Englische. Außerdem konnten wir ableiten, dass Bärlauch eine Art von Lauch bezeichnet, während sich das Wort Lauchbär auf einen Bären beziehen sollte, der irgendwas mit Lauch zu tun hat. Für die meisten Kinder war die plausibelste Interpretation dieses Wortes „ein Bär, der aus Lauch besteht“ – eine Vorstellung, die zu großer Heiterkeit führte.
Im Italienischen sieht es allerdings ganz anders aus als im Deutschen oder Englischen: Dort heißt der Bärlauch aglio orsino („Bärchen-Knoblauch“) oder aglio selvatico („wilder Knoblauch“). Dabei steht aglio, also das italienische Wort für Knobauch, stets am Anfang und wird durch die nachfolgenden Wörter für Bärchen bzw. wild näher beschrieben.
Sprachen haben also eine Abfolge, die innerhalb der Sprache systematisch ist. Sie können sich aber von anderen Sprachen in Bezug auf die Abfolge unterscheiden. Das haben wir dann bestätigen können, als die Kinder einige unserer Pflanzennamen in Sprachen übersetzten, die sie kannten, z.B. Türkisch, Spanisch und Ukrainisch.
Abschließend durften die Kinder sich Kräuter für zuhause aussuchen und in Umschläge tun, die sie dann mit den Pflanzennamen beschriften und mit Stempeln oder Zeichnungen verzieren konnten. Unseren Gesprächen mit den Kindern und einigen Eltern entnahmen wir, dass da wohl einige Kräuter zuhause in Tees oder Dips Verwendung finden sollten.
Die Kräuterkisten im neuen ZfL-Garten und die Verbindung von Bildung für Nachhaltigkeit an der Universität zu Köln
Die z.T. von den Kindern gut zurückgeschnittenen Kräuterpflanzen vom Kinderuni-Event haben wir nach der Veranstaltung dem Zentrum für LehrerInnenbildung (ZfL) der Universität zu Köln gespendet. Auf dem ehemaligen Parkplatz des ZfLs entstand nämlich erst vor kurzem ein Garten mit Blühstreifen, Hochbeeten und Sitzgruppe. Dies geschah in einer Pflanzaktion mit dem WDR.
In diesem Garten können die Kinderuni-Kräuter nun für die Ausbildung von Lehramtsstudierenden genutzt werden, z.B. bei Seminaren zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und in Seminaren zu Sprachbildung bzw. Sprachförderung. Dazu wird es reichlich Gelegenheit geben, da Jan Springob und Stefan Dittmann-Zöllner am ZfL viele BNE-Veranstaltungen planen, z.B. eine Ringvorlesung zum Thema BNE.
Mit der ZfL-Mitarbeiterin Daniela Maas habe ich dazu am 3.4.2023 Thymian- und Minzpflanzen in Kräuterkisten im ZfL-Garten gepflanzt. Diese Kisten besuchten am nächsten Tag schon einige der Studierenden im Anschluss an mein aktuelles Seminar im DaZ-Modul (Deutsch als Zweitsprache), das ich im Rahmen meiner Tätigkeit am Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache unterrichte.
In diesem Seminar besteht nämlich eine der Prüfungsleistungen darin, BNE-Materialien für eine fiktive fachübergreifende BNE-Projektwoche mit Kräuterkiste(n) zu entwickeln. Dabei sollen diese Materialien und der Unterricht sprachsensibel gestaltet werden. D.h. sie sollen an die sprachlichen Fähigkeiten der Zielgruppe angepasst sein und die weitere sprachliche Entwicklung gezielt unterstützen. Die Ressourcen auf der Sprachspinat-Webseite und im ZfL-Garten können dabei für Pflanzenlisten, Fotos etc. genutzt werden.
Damit das gesamte Kräuterrepertoire für Sprachspinat-Küchengarten-Aktivitäten am ZfL bereitsteht, dürfen nach Ende Mai, wenn keine Frostgefahr mehr besteht, auch die wärmebedürftigeren Kräuter mit Basilikum bzw. Zitrone im Namen in den ZfL-Garten umziehen. Dann stehen die Kisten auch für die BNE-Aktionstage der Universität zu Köln am 16.6. und für andere BNE-Veranstaltungen bereit. Informationen zu solchen BNE-Veranstaltungen an der Kölner Universität findet man auf der ZfL-Webseite und auf der Nachhaltigkeitswebseite der Universität zu Köln.
Mein persönlicher Sprachspinat-Tipp
Vielleicht ist ja auch jemand auf den Geschmack gekommen und möchte mehr über zusammengesetzte Wörter wissen – oder noch mehr Sprachaktivitäten mit Kräutern entwickeln. Dann bietet es sich an, sich auf der Grammatikinformationsseite (Grammis) des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim (IDS) zu informieren. Dort gibt es einen Eintrag für Wortzusammenetzungen (Komposition). Hier wird der Typ von Wortzusammensetzungen diskutiert, den wir hier besprochen haben, das sog. Determinativkompositum. Bei diesem Kompositumtyp bestimmt (determiniert) ein Wortbestandteil die Bedeutung und die grammatischen Eigenschaften des Gesamtwortes.
Im Grammis-Eintrag für Kompositum werden auch Kopulativkomposita diskutiert, bei denen die einzelnen Wortbestandteile gleichwertig sind. In Tabelle 3 findet sich ein solches Kopulativkompositum, nämlich weiß-bunt in weiß-buntes Strauchbasilikum.
Vor diesem Hintergrund könnte man dann neue Sprachaktivitäten entwickeln. Beispielsweise könnte man sich mit der Frage beschäftigen, warum Minze-Schokolade eine Eissorte sein könnte, die sowohl Minze als auch Schokolade enthält – und warum man das Wot Minzschokolade eher nicht für eine solche Eissorte verwendet, sondern für eine Schokoladensorte mit Minzgeschmack. Und schon hat man eine erste Idee für eine neue Sprachaktivität mit dem Sprachspinat-Küchengarten und seinen Kräutern.
Viel Spaß beim Weiterdenken! Jacopo Torregrossa und ich tun es auch – und wir ziehen schon Stecklinge für weitere Events!