Der Sprachspinat-Garten – spielerische Sprachbildung, Sprachförderung, Naturbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung

Spielzeugtiere, Spinat und andere Pflanzen in der "Wupf"-Wurm-Pflanzenkiste des Sprachspinat-Gartens - für Sprachspiele zu "groß und klein" und "links und rechts"Spielzeugtiere, Spinat und andere Pflanzen in der "Wupf"-Wurm-Pflanzenkiste des Sprachspinat-Gartens - für Sprachspiele zu "groß und klein" und "links und rechts"

Im Sprachspinat-Garten gehen SPRACHe, SPIel und NATur eine besonders enge Verbindung ein – wie im Wort SPRACH-SPI-NAT. Dieser Garten verbindet nämlich auf spielerische Weise Sprachbildung oder Sprachförderung mit Naturbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung zu einer Einheit. Dabei kann der „Garten“ sowohl draußen als auch in Innenräumen angelegt werden. Dieser Blogartikel

Der Sprachspinat-Garten als nachhaltiges System

Ein Garten für eine Bildungseinrichtung, ein Stadtviertel oder eine andere Gemeinschaft ist stets auch ein Ort, an dem man Erfahrungen austauscht, diskutiert, was als nächstes getan werden soll, zusammen gärtnert, erntet und feiert. So ergeben sich ganz natürlich vielfältige Anlässe für Sprachbildung, Sprachförderung, Naturbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung, selbst wenn es sich nur um eine Pflanzkiste im Klassenzimmer oder Kinderzimmer handelt. Dies gilt auch für den Sprachspinat-Garten.

Die Verbindung von Sprache, Spiel und Natur in einem nachhaltigen System wird hier aber in den Mittelpunkt gestellt und spiegelt sich in den Prinzipien für die Gestaltung des Gartens und die Interaktion in der Gartengemeinschaft wieder. Insbesondere sollen das gemeinsame Gärtnern und die Kommunikation im Garten geprägt sein durch die drei Prinzipien, die man in der sogenannten Permakultur verwendet, um stabile nachhaltige Systeme nach dem Vorbild der Natur zu gestalten: So soll bei der Gartenplanung bzw. –pflege z.B. Abfall vermieden und Vorhandenes genutzt statt Neues gekauft werden (Prinzip „Earth Care“ – Sorge für die Erde). Menschen sollen ihre Bedürfnisse nach Kommunikation und Gemeinschaft befriedigen können (Prinzip „People Care“ – Sorge für die Menschen). Sie sollen aber auch ernten können und ihre Ernte gerecht mit anderen teilen (Prinzip „Fair Share“ – gerechtes Teilen).

Dabei kann man den Sprachspinat-Garten als „klassischen“ Schul- oder Kita-Garten gestalten, aber auch als eine kleine Gruppe von Hochbeeten oder sogar als Pflanzenkisten im Wohnzimmer oder in einem Innenraum einer Bildungseinrichtung oder einer Einrichtung der sozialen Arbeit. Wichtig ist, dass ein nachhaltiges System entsteht, in dem Sprachbildung, Sprachförderung, Naturbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung spielerisch zu einer Einheit verbunden werden.

Naturbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung im Sprachspinat-Garten

Die Gestaltung des Sprachspinat-Gartens entspricht dem Konzept der „Bildung für nachhaltige Entwicklung„. Diese Form der Bildung soll Menschen dazu befähigen, die 17 Nachhaltigkeitszielen der UN zu verwirklichen. Dazu gehören u.a. die folgenden Ziele:

Der Sprachspinat-Garten ist nicht nur selbst auf Nachhaltigkeit hin angelegt. Er ist auch so gestaltet, dass man den Garten und seine Pflanzen für Lernaktivitäten zur Naturbildung und zu den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen nutzen kann. So eignet sich beispielsweise der Küchengarten-Teil des Sprachspinatgartens für die Behandlung von ernährungsbezogenen Themen (Ziel 2), aber auch für Diskussionen zu Auswirkungen von Nahrungstransporten auf den Klimawandel (Ziel 13). Die medizinischen Kräuter in diesem Gartenteil bieten nicht nur einen Anlass zu Diskussionen über Pflanzenklassifizierungen und Biodiversität; sie schaffen auch die Gelegenheit für Diskussionen über Gesundheit und den universellen Zugang zu medizinischer Versorgung (Ziel 3). Die Kräuter können aber auch für Lerneinheiten verwendet werden, die sich mit der Geschlechtergerechtigkeit befassen, insbesondere im geschichtlichen Kontext der Verfolgung von „Kräuterweibern“ und „Hexen“ (Ziel 5).

Sprachbildung und Sprachförderung im Sprachspinat-Garten

Die Namen der Pflanzen auf den Vorschlagslisten für den Sprachspinat-Garten sollen auch zur Reflexion über Sprache anregen. Dies geschieht z.B. durch Pflanzennamen, in denen man Wörter aus dem Alltagswortschatz entdecken kann, z.B. Löwenzahn, Löwenmäulchen, Natternkopf, Frauenmantel oder Froschlöffel. Es gibt aber auch Kombinationen von Grundelemente, die den Blick auf die interne Struktur von Wörtern lenken, z.B. in einer Liste von Pflanzennamen für den Küchengarten, die alle die Bestandteile Zitrone, Minze, Basilikum und Thymian enthalten: Zitronenminze, Zitronenmelisse, Zitronenbasilikum, Zitronenthymian, Pfefferminze, Schokominze, Zimtbasilikum etc. Andere Pflanzennamen zeigen, wie man einen Pflanzennamen bilden kann, indem man mehrere Wortteile zu einem Wort zusammensetzt und dieses Wort dann wiederum mit anderen kombiniert. Dies kann man beispielsweise bei den oft recht „üppigen“ und ausdruckskräftigen Namen für Dickblattgewächse sehen: Schneeteppich-Fettblatt, reichblühendes Fettblatt, milder Mauerpfeffer, scharfer Mauerpfeffer oder weißblühender Rotmoos-Mauerpfeffer, Spinnweb-Hauswurz, kugeliger Wirbel-Steinwurz etc.

Schon durch die gezielt ausgewählten Pflanzennamen alleine werden im Sprachspinatgarten somit Anlässe zur Reflexion über Sprache – und somit zur Sprachbildung für alle geschaffen. Zugleich sollen die Pflanzen mit ihren auffälligen Namen zur Sprachförderung genutzt werden können, wenn individuelle Kinder oder Kindergruppen einen erhöhten Förderbedarf oder einen Nachholbedarf in bestimmten sprachlichen Bereichen haben, z.B. weil sie bislang relativ wenig Zugang zur deutschen Sprache hatten oder durch Krankheit oder andere Umstände längere Zeit weniger Gelegenheit zur Kommunikation mit anderen hatten.

Dabei sollen sowohl die Sprachbildung als auch die Sprachförderung alltagsintegriert sein. D.h., die Beschäftigung mit der Sprache soll in den Alltag eingebettet sein – und nicht etwas, das im Rahmen von speziellen Förderstunden mit speziell entwickelten Lernmaterialien stattfindet. Dementsprechend verwendet man im Sprachspinat-Garten Erkenntnisse aus Studien zu Sprachproduktion und Spracherwerb, um Menschen dazu anzuregen, in einer natürlichen Alltagssituation im Garten komplexe sprachliche Strukturen zu verwenden.

Insbesondere ist der Sprachspinat-Garten geprägt von Farb-, Form-, Größen- und Strukturkontrasten zwischen einzelnen Pflanzen, aber auch durch Kontraste zwischen anderen Naturobjekten, z.B. zwischen Steinen, Holzstücken oder Stöckchen in unterschiedlichen Formen, Farben und Größen. Wie Studien zur Sprachproduktion gezeigt haben, verwendet man unter solchen Bedingungen komplexere sprachliche Ausdrücke, um zwischen einzelnen Objekten zu unterscheiden. Dies kann man zur Entwicklung von sprachanregenden Spielen nutzen.

Spielerisches Lernen im Sprachspinat-Garten

Der Sprachspinat-Garten bietet vielfältige Gelegenheiten und Materialien für sprachanregende Spiele, bei denen man auf spielerische Weise Sprachbildung oder Sprachförderung mit Naturbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung zu einer Einheit verbinden kann. Im Sprachspinat-Garten gibt es z.B. viele ähnliche, aber nicht identische Dinge. Daher muss man etwas schon genauer beschreiben, wenn man jemanden nach einem bestimmten Stein oder Stock suchen lässt, den man im Garten versteckt hat: Ist es der große, runde Stein hinter dem weißen Löwenmäulchen oder der kleine, eckige Stein hinter dem roten Löwenmäulchen? Ist es das kleine, dicke Stöckchen hinter dem roten Löwenmäulchen oder der große, runde Stock hinter dem weißen Löwenmäulchen? Und wenn man erst kleine oder große Murmeln in verschiedenen Farben hinter dem reichblühenden Fettblatt oder neben dem weißblühenden Rotmoos-Mauerpfeffer versteckt, wird die Suche auch für etwas ältere Kinder zu einem kniffligen Spiel. Außerdem müssten alle Beteiligten für und durch das Spiel auch die Namen der entsprechenden Pflanzen kennenlernen – und vielleicht auch noch, ob sie eher im schattigen Teil des Beetes zu finden sind oder im sonnenbeschienenen Teil.

Das Sprachspinat-Garten-Konzept als ganzheitlicher Ansatz

Dieses Beispiel zeigt, dass die Auseinandersetzung mit Sprache, die Naturbildung und die Bildung für nachhaltige Entwicklung im Sprachspinat-Garten nicht unabhängig voneinander erfolgen, sondern durch spielerische Lernaktivitäten verbunden werden. Weitere Verbindungen zwischen der Bildung im Bereich Sprache und der Bildung im Bereich Natur und Nachhaltigkeit ergeben sich durch sprachliche Rituale für die verschiedenen Phasen der Gartenplanung und –pflege, die in kommenden Blogartikeln beschrieben werden. So kann man z.B. Pflanzen beim Einsetzen feierlich – und mit entsprechenden Sprüchen – der Erde übergeben oder neu bepflanzte Beet(teil)e für fertig erklären. Das Sprachspinat-Konzept ist somit ein ganzheitlicher Ansatz für spielerische Sprachbildung, Sprachförderung, Naturbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Zitronenkrautstecklinge mit anderen Kräutern

Zitronenkrautstecklinge mit anderen Kräutern

Ein Überblick über die Materialien für den Sprachspinat-Garten

Die Materialien für den Sprachspinat-Garten werden in den nächsten Monaten auf dem Blog vorgestellt. Dazu gehören drei Pflanzennamen-Listen mit weiteren Informationen zu den einzelnen Pflanzen sowie Anregungen für die Verwendung dieser Materialien im Rahmen von Bildungs- und Förderaktivitäten in den Bereichen Sprache, Spiel und Natur:

  • die Wort-Pflanzen-Liste (WOPF) mit Pflanzennamen wie Löwenzahn, Natternkopf und Frauenmantel für den insektenfreundlichen und artenreichen „Wopf“-Garten – einen Raum für Wortschatzaktivitäten, in dem man mit der Geschichte der Pflanzennamen auch einiges über das Verhältnis von Menschen zur Natur, zu Tieren und zu anderen Kulturen lernen kann,
  • die Wortform-Pflanzen-Liste mit Pflanzennamen (WOFOPF) wie Zitronenminze, Zitronenbasilikum, Zitronenapfel, Zitronenthymian, Apfelminze, Katzenminze, Holsteiner Zitronenapfel oder kleinblütige Bergminze für den „Wofopf“-Küchengarten – einen Raum für Sprachaktivitäten zum Aufbau von Wortformen und Wortkombinationen, aber auch für Kochaktionen und sensorische Aktivitäten sowie für Diskussionen zur Herkunft unserer Nahrung, zur Rolle von Kräutern in der Medizin oder zur Verfolgung von „Kräuterweibern“ oder „Hexen“ sowie
  • die Wortkombinationen-Pflanzen-Liste (WOKOPF)mit relativ trockenheitsresistenten Dickblattgewächsen wie reichblühendes Fettblatt, scharfer Mauerpfeffer oder weißblühender Rotmoos-Mauerpfeffer für den „WOKOPF“-Garten – einen Raum für Aktivitäten zu Klimaschutz und Artenvielfalt sowie für Sprachaktivitäten mit komplexen Wörtern und Wortkombinationen.

Neben den Pflanzenlisten gibt es für den Sprachspinat-Garten noch Anleitungen für die Gestaltung von zwei Kisten:

  • die 5-R-Kiste, eine Info-Kiste mit Tipps zu den 5 R der Nachhaltigkeit:
    • Refuse (Überflüssiges zurückweisen),
    • Reduce (Verbrauch reduzieren),
    • Reuse (wiederverwenden),
    • Recycle (recyclen),
    • Rot (verrotten lassen, d.h. kompostieren).
  • die WUPF-Wurm-Pflanzen-Kiste mit dem eingebautem Wurm-Kompost-Turm, bei der man viel über Abfallvermeidung und natürliche Kreisläufe lernen kann – und über das 5. R (Rot).
Dickblattgewächse mit Farb-, Form-und Struktur-Kontrasten für die Wokopf-Wortkombination-Pflanzenliste

Dickblattgewächse mit Farb-, Form-und Struktur-Kontrasten für die Wokopf-Wortkombination-Pflanzenliste

 

Geplante Blogbeiträge zum Sprachspinat-Garten

Artikel, Link- und Litertaturlisten zum Sprachspinat-Garten findet man auf dem Blog mit dem Tag Sprachspinat-Garten.  Sobald entsprechende Beiträge erschienen sind, kann man dann auch nach den Tags für die einzelnen Komponenten suchen: Wopf-Wortschatz-Pflanzenliste, Wofopf-Wortform-Pflanzenliste, Wokopf-Wortkombinationen-Pflanzenliste, Wupf-Wurm-Pflanzenkiste und 5-R-Kiste.

Es gibt bereits ein Kräutertee-Rezept mit Kräutern aus dem Sprachspinat-Garten. Auf dem Blog findet man außerdem schon einige Beiträge mit Hintergrundinformationen, die für die Gestaltung eines Sprachspinat-Gartens nützlich sein können, z.B.

Weitere Pflanz-Listen, Bauanleitungen und Anregungen für Garten‑, Spiel- und Kochaktivitäten erscheinen demnächst. Geplant sind außerdem Blogbeiträge zu Fragen rund um den Sprachspinat-Garten:

  • Wie kann man die Sprachspinat-Garten-Materialien für Sprachbildung- oder Sprachförderaktivitäten einsetzen?
  • Wie kann man Erkenntnisse aus Studien zu Sprachproduktion und Spracherwerb nutzen, um Sprachaktivitäten im Sprachspinat-Garten zu entwickeln und umzusetzen?
  • Wie kann man mit Hilfe von Ritualen in den einzelnen Phasen der Gartengestaltung und –Pflege ein breites Spektrum von Sprachhandlungen ins gärtnerische Handeln einbinden?
  • Wie kann man die Sprachspinat-Garten-Materialien für Aktivitäten zur Naturbildung oder zur Bildung für nachhaltige Entwicklung verwenden?
  • Wie kann man im Sprachspinat-Garten den Prinzipien der Permakultur folgen, wenn man nachhaltige Systeme nach dem Vorbild der Natur gestaltet?
Sprachimpuls mit der Sprachspinat "Wupf" Wurm-Pflanzen-Kiste mit gebrauchten Legosteinen und Tierfiguren

Sprachimpuls mit der Sprachspinat „Wupf“ Wurm-Pflanzen-Kiste mit gebrauchten Legosteinen und Tierfiguren

Mein persönlicher Sprachspinat-Tipp

Einen guten Einstieg ins Sprachspinat-Garten-Konzept bekommt man, wenn man sich ein paar Pflanzen besorgt, sie pflanzt und sich schon mal einen Tee mit den Pflanzen zubereitet. Auf der „Einkaufsliste“ könnten z.B. Pflanzen mit Zitrone oder Minze im Namen stehen, die man später auf der WOFOPF-Pflanzliste wiederfinden wird, z.B. Pfefferminze, Zitronengras oder Zitronenmelisse. Wer nicht nur einfach einen Tee mit Zitrone-Minz-Geschmack haben möchte, kann sich auch Ingwer (getrocknet oder als frische Knolle, die man auch einpflanzen kann) und Unsterblichkeitskraut (Jiaogulan oder Gynostemma pentaphyllum) besorgen (als hübsche Rankpflanze für die Wohnung oder getrocknet) und das Kräutertee-Rezept vom Blog ausprobieren. Dabei kann man dann in Pflanzendatenbanken stöbern, um mehr über die einzelnen Pflanzen zu erfahren. Tipps zum Anbau von Kräutern und Ingwer in der Wohnung findet man auf meiner YouTube-Liste zur Pflege von essbaren Pflanzen in der Wohnung (oder auf der Liste mit englischsprachigen YouTube-Videos zu edible houseplants). Für Pflanzentipps, Tipps zur Permakultur und Tipps zu spielerischem Lernen rund um Sprache lohnt es sich, sich mal auf Twitter umzusehen, v.a. das was @Stadtwurzel, @DonGiardino und @lingucat posten.